Kein Unterhalt für faules Kind!

Der Unterhaltsanspruch eines Kindes beruht auf Gegenseitigkeit. Die Eltern sind verpflichtet, dem Kind eine angemessene Ausbildung zu finanzieren, das Kind ist im Gegenzug verpflichtet, die Berufsausbildung zügig und zielstrebig zu betreiben.

Verletzt ein Kind diese Verpflichtung, seine Ausbildung zielstrebig und planvoll aufzunehmen und durchzuführen, hat dies den Wegfall des Unterhaltsanspruchs zur Folge. Ein solches Kind kann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch Berufstätigkeit selbst zu finanzieren.

Was aber, wenn ein Kind zuerst keine Ausbildung absolviert, sondern arbeitet oder schlicht nichts tut und nach einigen Jahren dann plötzlich eine Ausbildung beginnt, zu einem Zeitpunkt, als die Eltern sich bereits darauf eingestellt hatten, dass dieses Kind ihnen nicht mehr auf der Tasche liegen wird?

Der BGH mutet den Eltern, die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zwar eine optimale Berufsausbildung schulden, aber nicht zu, dass sie auch noch nach Ablauf mehrerer Jahre eine Ausbildung des Kindes finanzieren. Wie lange eine solche Orientierungsphase eines Kindes zu bemessen ist, ist streitig. Sie muss unter Berücksichtigung aller konkreten Umstände anhand von Zumutbarkeitskriterien für jeden Einzelfall gesondert festgestellt werden. Eine Rolle hierbei kann z. B. eine Erkrankung – insbesondere eine psychische Erkrankung – des Kindes spielen, das die Ausbildung verzögert.

Eine weitere Rolle kann spielen, dass die Eltern bereits finanziell anders disponiert haben, da sie mit einem um Jahre verzögerten Ausbildungsbeginn des Kindes nicht mehr rechneten.

Die Orientierungsphase, die die Gerichte einem jungen Menschen zubilligen, dient gerade dazu, einen in der Berufswahl noch unsicheren jungen Menschen die Entscheidung für einen bestimmten Beruf zu erleichtern. Eine einjährige Orientierungsphase wird allgemein anerkannt. Bei einer längeren Orientierungsphase kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. In einem Urteil vom 29.06.2011 (XII ZR 129/09) hat der BGH festgestellt, dass ein unterhaltsberechtiges Kind seine aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgende Obliegenheit, seine Ausbildung innerhalb einer angemessenen Zeit aufzunehmen, nicht verletzt, wenn es während der ihm zuzubilligenden Orientierungsphase schwanger wird, und sich zunächst bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes – und ggf. Zubilligung einer anschließenden Übergangszeit – der Betreuung des eigenen Kindes widmet und erst dann eine Berufsausbildung beginnt. Da die Mutter eines Kleinkindes bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres gem. § 1570 I BGB und § 1615l II S. 3 BGB in ihrer Entscheidung frei ist, ob sie während dieser ersten 3 Jahre das Kind betreut oder aber einer Berufstätigkeit bzw. Ausbildung nachgeht, kann unter Berücksichtigung dieser unterhaltsrechtlichen Prämissen nichts anderes für den Ausbildungsunterhalt durch die Eltern gelten.

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass nach Beendigung der 3-jährigen Kleinkindbetreuung die Berufsausbildung zügig aufgenommen bzw. fortgesetzt wird.