Bundesverfassungsgericht erklärt Privilegierung von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer im derzeitigen Ausmaß mit dem Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar

Am 17.12.2014 erging ein, besonders von Unternehmern, lange erwartetes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Erbschaftsteuergesetz. Der Bundesfinanzhof hatte die Frage der Vereinbarkeit der Verschonungsregelungen der §§ 13a und 13b ErbStG i. V. m. § 19 ErbStG, nachdem die prozentuale Besteuerung bestimmt wird, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG zur Normenkontrolle vorgelegt.

Im Ausgangsverfahren klagte ein Miterbe des im Jahre 2009 verstorbenen Erblassers. Der Nachlass bestand aus Guthaben bei verschiedenen im Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch. Auch die Festsetzung der Erbschaftssteuer mit einem Steuersatz von 30 % nach Steuerklasse II machte der Kläger geltend, die nur für das Jahr 2009 vorgesehene Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III sei verfassungswidrig.

Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf blieb erfolglos. Hierauf legte der Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob § 19 Abs. 1 i. V. m. §§ 13a und 13 b ErbStG wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verfassungswidrig sei.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte am 17.12.2014:

  1. Mit Art. 3 Abs. 1 GG sind seit dem Inkrafttreten des Erbschaftssteuerreformgesetzes zum 01.01.2009 unvereinbar § 13a und § 13b ErbStG jeweils in Verbindung mit § 19 Abs. 1 ErbStG, auch in den seither geltenden Fassungen.
  2. Und das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, eine neue Regelung spätestens bis zum 30.06.2016 zu treffen

In den Urteilsgründen führt das Bundesverfassungsgericht unter anderem aus:

„Die Verschonungsregelungen beim Übergang betrieblichen Vermögens in §§ 13a und 13b ErbStG sind angesichts ihres Ausmaßes und der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

  1. Es liegt allerdings im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleiner und mittelständischer Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und damit auch zur Erhaltung der Arbeitsplätze von der Erbschaftssteuer weitgehend oder vollständig freizustellen. Für jedes Maß der Steuerverschonung benötigt der Gesetzgeber allerdings tragfähige Rechtfertigungsgründe.
  2. Die Privilegierung des unentgeltlichen Erwerbs betrieblichen Vermögens ist jedoch unverhältnismäßig, soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinaus greift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
  3. Die Lohnsummenregelung ist im Grundsatz verfassungsgemäß; die Freistellung von der Mindestlohnsumme privilegiert aber den Erwerb von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten unverhältnismäßig.
  4. Die Regelung über das Verwaltungsvermögen ist nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie den Erwerb von begünstigten Vermögens selbst dann uneingeschränkt verschont, wenn es bis zu 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht, ohne dass hierfür eine tragfähiger Rechtfertigungsgrund vorliegt.“

Das Bundesverfassungsgericht stellt zwar fest, dass der Gesetzgeber über einen großen Entscheidungsspielraum verfügt, ob und welche Sachverhalte, Personen oder Unternehmen durch eine Verschonung von einer bestimmten Steuer gefördert werden sollen und welche Gemeinwohlziele damit verfolgt werden. Dies schließt allerdings nicht aus, dass eine konkrete Ausgestaltung solcher Verschonungsregelungen einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen.

Vorliegend kam es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch die Verschonungsregelung der §§ 13a und 13b ErbStG zu einer Besserstellung von Erwerbern unternehmerischen Vermögens gegenüber Erwerbern sonstigen privaten Vermögens, die im Grundsatz mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Da dies im Bereich des Übergangs großer Unternehmensvermögen jedoch der Korrektur bedürfe, bewirke die Verschonungsregelung eine Ungleichbehandlung zwischen Erwerbern von begünstigten Vermögenswerten und den Erwerbern von sonstigen Vermögen, der in seiner Dimension nicht mehr verhältnismäßig sei.

Solche Verschonungsregelungen sollten die Erwerber von Unternehmen vor Liquiditätsproblemen durch erbschaftssteuerliche Belastungen beim Unternehmensübergang bewahren und in der Folge den Bestand des Unternehmens und somit den Erhalt der Arbeitsplätze sichern.

Die Verschonungsregelung sei zur Erreichung dieses Zieles zwar grundsätzlich geeignet und erforderlich und erweise sich auch als verhältnismäßig im engeren Sinne. Dies gelte jedoch nicht soweit die Verschonung über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinaus greift, ohne eine konkrete Bedürfnisprüfung vorzusehen.

Eine Ungewissheit der Bundesländer im Hinblick auf Steuereinnahmen aus der Erbschaftssteuer für den Zeitraum 2010 bis 2013 sollte nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts vermieden werden. Insbesondere wäre die Ungewissheit über eine Rückwirkungsregelung auch für die Inhaber von Unternehmen und künftige Erben oder Nachfolger unerträglich. Aus diesem Grunde ordnete der entscheidende Senat des Bundesverfassungsgerichts die Fortgeltung der für verfassungswidrig gefundenen Normen bis zu einer Neuregelung an.

Zugleich verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber spätestens bis zum 30.06.2016 eine neue Regelung zu treffen.