Entzug der elterlichen Sorge nur in absoluten Ausnahmefällen

Einem Ehepaar wurde die elterliche Sorge für die damals fünf und drei Jahre alten Mädchen gemäß Paragraph 1666 BGB entzogen und die Kinder in Inkognito-Pflegefamilien untergebracht. Klage, Rechtsmittel der Eltern blieben erfolglos, die Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht wurde wegen offensichtiger Aussichtlosigkeit nicht zur Entscheidung angenommen. Der europäische Gerichtshof sah dies anders (EuGHMR, FamRZ 2002,1393):

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGHMR) stellt eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens fest. Den innerstaatlichen Behörden stehe zwar bei der Prüfung der Notwendigkeit der In-Pflegenahme von Kindern ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Allein der Umstand, dass ein Kind in einem für seine Erziehung günstigeren Umfeld untergebracht werden könnte, rechtfertige jedoch nicht eine zwangsweise Trennung von seinen leiblichen Eltern. Die Herausnahme eines Kindes aus seiner Herkunftsfamilie müsse grundsätzlich eine vorübergehende Maßnahme darstellen, die sobald wie möglich zu beenden ist. Die Durchführung einer In-Pflegenahme könnte Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen, wenn sie zu einer wachsenden Entfremdung der Kinder von ihren Eltern sowie untereinander führt.

Auch beanstandete der europäische Gerichtshof das Verfahren vor dem deutschen Familiengericht: Zum einen gehe es nicht an, dass bei zwei widersprüchlichen gerichtlichen Sachverständigengutachten dem Gutachten, dass das Gericht einholt der Verzug gegeben wird gegenüber dem Privatgutachten, dass die Eltern einholten, zum anderen wurde kritisch vermerkt, dass die betroffenen Kinder in keinem Verfahrensstadium von einem Richter angehört wurden, sich die erkennenden Richter somit kein Bild über den Entwicklungsstand der Kinder gemacht haben.

Davon ließ sich das Bundesverfassungsgericht wenig später wohl beeindrucken, indem es auf die Bedeutung des Elternrechts hinwies: Für die Eltern sei die Trennung von ihrem Kind der stärkste vorstellbare Eingriff, der nur bei strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Sodann auch das OLG Hamburg das darauf hinwies, dass selbst eine nichtoptimale Elternbetreuung Vorrang vor einer -hochqualifizierten- Fremdbetreuung hat. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit berechtige den Staat, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes abzuhalten. So gehöre nicht zur Ausübung des staatlichen Gemächteamtes nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Die primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch den Entschluss der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleidet.