Das Erbscheinsverfahren

Der Ablauf eines Erbscheinsverfahrens ist immer wieder Gegenstand anwaltlicher Beratung.

Die grundsätzlichen Aspekte eines Erbscheinsverfahrens und mögliche Arten des Verfahrens sollen daher nachfolgend – wenn auch etwas verkürzt und vereinfacht – dargestellt werden.

 

Das Nachlassgericht erhält von Amts wegen vom zuständigen Standesamt eine Todesfallmitteilung, wenn eine Person verstirbt. Zunächst wird dann geprüft, ob bei Gericht von dieser Person ein Testament hinterlegt wurde oder ob beim zentralen Testamentsregister eine letztwillige Verfügung hinterlegt ist. Personen, denen ein Testament anvertraut ist, haben dieses bei Kenntnis vom Tod beim Nachlassgericht abzuliefern.

Sofern eine letztwillige Verfügung vorliegt, wird diese vom Rechtspfleger/von der Rechtspflegerin eröffnet und die darin bezeichneten Personen, gesetzliche Erben, Pflichtteilsberechtigte, Vermächtnisnehmer bzw. Testamentsvollstrecker, schriftlich über den Inhalt des Testaments informiert.

Vom Nachlassgericht werden sämtliche vorhandenen Testamente eröffnet, nicht nur das zuletzt Errichtete, um eventuelle Bindungswirkungen früherer Testamente zu überprüfen.

Mit der Information der beteiligten Personen ist die Tätigkeit des Nachlassgerichts zunächst beendet.

 

Zu weiterer Tätigkeit des Nachlassgerichts kommt es erst aufgrund eines Antrags, z. B. eines Antrags auf Erteilung eines Erbscheins.

Hier kommen zunächst das einvernehmliche und das streitige Erbscheinsverfahren in Betracht.

Ein Erbschein ist erforderlich, wenn der bzw. die Erben ihre Erbenstellung beweisen müssen, z. B. gegenüber Banken, dem Grundbuchamt, Versicherungen usw.

Der Nachweis ist in manchen Fällen auch entbehrlich, etwa bei Vorliegen eines eindeutigen notariellen Testaments oder weil aus tatsächlichen Gründen kein Bedarf besteht, die Erbenstellung beweisen zu müssen.

Zum Erbscheinsverfahren kommt es durch Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, wobei dieser nicht nur von Erben gestellt werden kann, sondern auch vom Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter oder Gläubigern des Erblassers.

Der Antrag kann entweder bei einem Notar beurkundet oder beim Nachlassgericht aufgenommen werden, wobei der Antragsteller die Richtigkeit seiner Angaben in der Regel an Eides statt zu versichern hat.

Es ist wichtig zu wissen, dass der Erbschein nur als Beweis des Erbrechts dient, jedoch der Inhalt nicht in Stein gemeißelt ist. So kann etwa durch eine Erbenfeststellungsklage, die nicht vor dem Nachlassgericht zu führen ist, eine abweichende Erbenfeststellung getroffen werden. Dann wäre der (bereits erteilte) Erbschein vom Nachlassgericht einzuziehen.

Neben der Person des/der Erben weist der Erbschein auch noch weitere Tatsachen aus: So wird z. B. auch ausgewiesen, falls Nacherbschaft angeordnet ist und unter welchen Umständen der Nacherbfall eintritt. Auch eine wirksam angeordnete Testamentsvollstreckung wäre im Erbschein aufzunehmen.

Dem erteilten Erbschein kommt eine hohe Bedeutung zu, er trägt die Vermutung der Richtigkeit seiner Angaben in sich.

Im Erbscheinsverfahren trägt der Antragsteller die Kosten für den Antrag, wobei sich diese der Höhe nach am Nachlasswert orientieren.

 

Ein Erbscheinsverfahren kann auch streitig geführt werden. Hierzu kommt es dann, wenn von einem der Beteiligten Einwendungen gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins erhoben werden. Diese können auch vom Nachlassgericht selbst erhoben werden.

Anders als in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten sind die Einwendungen nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zu klären. Dennoch müssen die Einwendungen anhand erheblicher und hinreichend konkreter Anhaltspunkte vorgetragen werden, damit ausreichende Anknüpfungspunkte für eine Aufklärungstätigkeit im Rahmen der Amtsermittlung vorliegen.

Sobald das Gericht die Streitfragen für geklärt erachtet, wird dies den Beteiligten in einer Art Vorbescheid mitgeteilt. Hiergegen steht den Beteiligten das Rechtsmittel der Beschwerde zu. Sofern innerhalb der Frist von einem Monat keine Beschwerde eingelegt wird, tritt Rechtskraft ein.

Für den Fall der Zurückweisung des Erbscheinsantrags im streitigen Verfahren kann der Zurückweisungsbeschluss eine Kostenentscheidung enthalten. Über die Frage, ob eine Kostenentscheidung ergeht und wie die Kosten verteilt werden, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Als Nachweis der Erbenstellung dient – für Erbfälle seit dem 17.08.2015 – auch das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ). Dieses dient als Nachweis der Erbenstellung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ausgenommen Dänemark, Irland).