Das Pflichtteilsrecht

Zu den streitanfälligsten Vorschriften im deutschen Erbrecht zählen die Vorschriften,
mit denen der sogenannte Pflichtteilsanspruch, der Pflichtteilsergänzungsanspruch und die dazu gehörenden  Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen geregelt werden.

Diese Ansprüche sichern nahen Angehörigen die gesetzlich vorgeschriebene Teilhabe am Nachlass, falls sie durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen wurden.

 

Der Pflichtteilsanspruch

Sinn und Zweck
Durch den Pflichtteilsanspruch werden Abkömmlinge, Eltern, Ehe- oder Lebenspartner auch dann am Nachlass beteiligt, wenn sie von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sind.

Um diese Teilhabe zu erreichen steht diesen Personen ein Pflichtteilsanspruch gegen den oder die Erben zu.

Wert und Höhe
Der Wert des Pflichtteilsanspruchs besteht dabei im Wert des hälftigen gesetzlichen Erbteils. Anders als im Fall einer Erbenstellung oder eines Vermächtnisanspruchs handelt es sich beim Pflichtteilsanspruch um einen reinen Geldanspruch.

Wird also ein Pflichtteilsberechtigter durch eine Verfügung von Todes wegen mit weniger bedacht, als dem hälftigen gesetzlichen Erbteil, so steht ihm ein Zusatzpflichtteil zu. Es handelt sich um einen Zahlungsanspruch, der gegen die Miterben gerichtet ist.

Der Gesetzgeber hat zwar geregelt, dass die Höhe des Pflichtteils in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils besteht. Die Höhe des gesetzlichen Erbteils ist aber abhängig davon, ob der Erblasser verheiratet gewesen ist und falls ja, in welchem Güterstand der Erblasser gelebt hat. Bei Eheleuten, die keinen Ehevertrag geschlossen haben, gilt der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft. In diesem Falle erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehepartners um ein Viertel. Die gesetzlichen Erbquoten und in Abhängigkeit davon auch die Pflichtteilsquoten der Kinder sind daher auch vom Güterstand abhängig, in dem der verstorbene Elternteil lebte.

Ermittlung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs
Der Gesetzgeber hat dem Pflichtteilsberechtigten mit den Auskunfts- und Wertermittlungsansprüchen effektive Instrumente an die Hand gegeben, um die Höhe des  Anspruchs zu ermitteln und in der Folge den Zahlungsanspruch durchsetzen zu können.

So stehen dem Pflichtteilsberechtigten ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand und die Zusammensetzung des Nachlasses, sowie ggf. Ansprüche auf Wertermittlung (etwa bei Immobilien) zur Verfügung. Der Pflichtteilsberechtigte kann auch verlangen, dass der Erbe/ die Erben Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilen.

Mit dem Wissen um die Höhe des Nachlasswerts kann der Pflichtteilsberechtigte dann den Wert seines Anspruchs anhand seiner Pflichtteilsquote ermitteln und Zahlung in dieser Höhe verlangen.

 

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch

Sinn und Zweck
Um zu verhindern, dass ein Erblasser kurz vor seinem Tod den Pflichtteilsanspruch dadurch entwertet, dass er sein Vermögen durch lebzeitige Schenkungen (z.B. Übertragung eines Grundstücks) verringert, hat der Gesetzgeber den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch geschaffen, § 2325 BGB. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht neben dem Pflichtteilsanspruch.

Berechnung
Diese Vorschrift regelt, dass für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Wert sämtlicher Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod getätigt hat, dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet werden und der/ die Erben dem Pflichtteilsberechtigten auch hieraus (mit der Quote des Pflichtteilsanspruchs) eine Zahlung zu leisten haben.

Ausgenommen von der Vorschrift sind allerdings sog. Anstandsschenkungen, d.h. etwa Schenkungen in einer (für den Erblassser) üblichen Höhe zu anerkannten Anlässen, etwa Geburtstag, Weihnachten, usw.

Typischerweise fallen unter diese Vorschrift Schenkungen, die dem Zweck dienen größere Vermögensbestandteile des Erblassers zu übertragen. Die Schenkungen werden allerdings nicht zwingend in voller Höhe dem Nachlass hinzugerechnet.

Nach dem Abschmelzungsmodell werden Schenkungen innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall mit dem vollen Wert, Schenkungen innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall mit jeweils einem Zehntel weniger berücksichtigt. Liegt die Leistung des geschenkten Gegenstandes länger als 10 Jahre zurück, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

 

Abschließende Hinweise

Obige Ausführungen können nur einen groben Überblick über den Themenkomplex des Pflichtteils- und des Pflichtteilsergänzungsanspruchs bieten. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich gut durchsetzbar ist. Hierfür existiert das Instrument der Stufenklage, mit der Pflichtteilsberechtigte den/ die Erben zunächst auf Auskunft, ggf. auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit der Angaben, und abschließend auf Zahlung in Anspruch nehmen kann. Häufig lässt sich die Durchsetzung jedoch auch außergerichtlich erreichen

Wegen der oben erwähnten Komplexität wird jedoch empfohlen sich in jedem Fall bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen anwaltlich beraten zu lassen. Häufig können Fragen bereits im Rahmen einer Erstberatung geklärt werden, oft führt die außergerichtliche anwaltliche Geltendmachung des Anspruchs zum Erfolg. Sollte dies nicht ausreichend sein, um den/ die Erben zur Erfüllung der Ansprüche zu bewegen, steht mit der Stufenklage ein effektives Mittel zur Durchsetzung der Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten zur Verfügung.

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